Читаем Wie der Soldat das Grammofon repariert полностью

Das Haus meiner Familie hätte ein Repertoire, so groß und unberechenbar wie die Menge und Sorten der Launen, die unter unserem Dach mit und in uns wohnen. Unsere Küche würde »The Doors« spielen, weil Jim Morrison den sorgenvollen Blick meiner Mutter in einen sehnsüchtigen Blick verwandelt. Französische Chansons würden erklingen, wenn Vater in seinem Atelier verschwindet. Johann Sebastian, wenn Onkel Miki und mein Vater zusammen Politik schauen und Vater schreit: nein, wir streiten nicht, wir diskutieren nur laut! Wenn Vater, französische Chansons pfeifend, Mutter zum Abendessen in die Mündung ausführt: Pink Floyd. Herr Floyd macht erwachsen und nervt so angenehm. Ich nippe an Vaters Cognac und sehe fern ohne Ton.

Die letzten drei Minuten von Ravels Bolero auf voller Lautstärke, wenn Tante Taifun vorbeikommt.

In Nena Fatimas Garten an der Drina würden die Sonnenblumen Lieder spielen, die Nena als Mädchen gesungen hat und die sie noch heute alle auswendig kennt. Stumm würde Nena mitsummen, und wenn ihr Tränen kämen – weil etwas auswendig zu können häufig das Traurigste auf der Welt ist –, würde der pfiffige Schornstein einen Reigen spielen. Tränen und Reigen gehen nicht zusammen. Das Besondere an meinen musizierenden Häusern wäre, dass sie auch jemand, der taub ist wie eine Kanone, hören könnte.

Mein Haus würde mit der Stimme meines Ur-Opas singen und einmal am Tag etwas versprechen, was von Dauer sein würde.

Ich stelle das Lexikon der Weltmusik zurück ins Regal und frage meine Mutter, wann sie mich bitte endlich zwingen wird, ein Instrument zu lernen oder drei oder gleich Akkordeon. Sie sieht Nachrichten: Barrikaden und brennende Fahnen. Ich stelle die Frage im gleichen Wortlaut noch einmal.

Ich male zehn waffenlose Soldaten.

Ich male Mutters Gesicht, lächelnd, heiter, sorglos.

Wäre ich Fähigkeitenzauberer, könnten Bilder sprechen, während wir sie malen.

Wäre ich Fähigkeitenzauberer, könnten Häuser Versprechen halten. Und sie müssten versprechen, nicht Dächer zu verlieren oder in Flammen aufzugehen. Wäre ich Fähigkeitenzauberer, würden die Einschusslochnarben über die Jahre wieder zuwachsen.

Was musiziert eigentlich ein Hochhaus im Krieg?

Welcher Sieg der schönste ist, was mir Opa Slavko zutraut und warum alle so tun, als würde die Angst kleiner werden, wenn man über sie nicht spricht

Keiner konnte ahnen, dass ich gewinnen würde. Onkel Miki gibt mir einen Klaps auf den Hinterkopf und sagt: es konnte ja keiner ahnen, dass du gewinnst. Meine Mutter streicht mir eine Strähne hinter das Ohr, aber sie fällt sofort wieder zurück in die Stirn. Also wirklich, das hätte niemand ahnen können, sagt sie und nimmt mein Gesicht zwischen die Hände.

Die Keiner-konnte-ahnen-Siegerehrung ist gerade vorbei, der Zweitplatzierte mindestens sechsmal älter und zweimal größer als ich. Er gibt mir die Hand, unsere Angelruten kreuzen sich wie Degen. Onkel Miki schiebt ihn zur Seite – er mag mich zwar nicht besonders, aber andere mag er noch weniger, und zu lange gratulieren ist immer verdächtig.

Mein Vater war nicht mitgekommen. Er musste ein Bild in seinem Atelier fertig machen. In letzter Zeit macht er ständig seine Bilder fertig und sobald er eines fertig hat, fängt er zwei neue an. In seinem Atelier ist kein Platz mehr, das Schlafzimmer muss herhalten, Mutter wacht nachts auf und schreit: überall Gesichter!

Ich sehe zum Fluss, dann zu meiner Goldmedaille, ich habe nicht vor, sie jemals wieder abzunehmen. Mit der Medaille bin ich ein Qualifizierter, und am nächsten Samstag sollen sich in Osijek an der Drau alle Qualifizierten treffen. Die besten Angler der Republik, sagte ein dicker, kleiner Mann, als er mir die Urkunde überreichte, woraufhin ihn Miki von ganz hinten im Publikum anschrie: eh, Fettsack, guck nicht so skeptisch!

Miki ist – so nah am Wasser und mit einem Sieger verwandt – Feuer und Flamme. Er ist außer mir auch der Einzige in der Familie, der Ahnung vom Angeln hat. Heute durfte er nicht mitmachen, weil er neulich Čika Luka in die Drina geworfen hat, als der Onkels Angelschein sehen wollte. Miki bestreitet das: der blöde Schnüffler ist ausgerutscht und wenn ich nicht zufällig in der Nähe gewesen wäre, um ihn rauszuholen, hätte bald jemand einen ziemlich hässlichen Wels am Haken gehabt.

Mit Brille und Schnurrbart, wie es sich gehört, ergänzte ich, als Miki unschuldig die Schultern hob. Ich war auf seiner Seite, denn Čika Luka mag weder Menschen noch Fische, noch sich selbst, durch ihn habe ich gelernt, was das Wort »frustriert« bedeutet.

Ich habe heute wegen des Geheimnisses in meinem Futter gewonnen. Paniermehl mit Wasser angemischt, etwas Vanillezucker dazu, Leberwurststückchen plus das Geheimnis. Die Döbel flippten aus, nachdem ich angefüttert hatte, sie sprangen aus dem Wasser und schrien: aufhören!, so gut schmeckte ihnen die geheimnisvolle Mischung.

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