Harey stützte die Ellbogen auf meine Knie und schaute mir ins Gesicht. Ich legte ihr die Hände auf die Schultern, langsam verschob ich die Hände zur Mitte hin, bis sie über dem pulsierenden, nackten Halsansatz fast zusammentrafen. Letzten Endes konnte das eine Liebkosung sein, und nach Hareys Blick zu schließen, faßte sie es auch nicht anders auf. In Wirklichkeit überzeugte ich mich, daß ihr Körper beim Betasten ein gewöhnlicher, durchwärmter menschlicher Körper war, und daß sich darin unter den Muskeln Knochen und Gelenke verbargen. Ich schaute ihr in die ruhigen Augen und verspürte schreckliche Lust, die Finger gewaltsam zusammenzudrücken.
Schon schlössen sie sich fast, da besann ich mich plötzlich auf die blutigen Hände Snauts und ließ los.
— Wie du dreinschaust… — sagte sie ruhig.
Das Herz hämmerte mir so, daß ich nicht imstande war, zu sprechen. Ich schloß auf einen Augenblick die Lider.
Mit einemmal erschien mir der ganze Plan für mein Vorgehen, vom Anfang bis zum Ende, mit allen Einzelheiten. Ohne einen Augenblick zu verlieren, stand ich aus dem Lehnsessel auf.
— Harey, ich muß schon gehen, — sagte ich — wenn du unbedingt willst, so komm mit. -Gut.
Sie sprang auf die Beine.
— Warum bist du barfuß?— fragte ich und ging zum Schrank; ich wählte unter den bunten Schutzanzügen zwei aus, für mich und für sie.
— Ich weiß nicht… ich muß die Schuhe irgendwo liegengelassen haben… — sagte sie unsicher. Ich hörte weg.
— Im Kleid kannst du da nicht hinein, du mußt es ausziehen.
— In den Schutzanzug…? Wozu? — fragte sie und machte sich sofort ans Ausziehen, aber gleich stellte sich etwas Merkwürdiges heraus: das Kleid ließ sich nicht ausziehen, weil es nichts zum Aufknöpfen hatte. Die roten Knöpfe in der Mitte waren bloßer Aufputz. Da war kein Reiß— oder sonstiger Verschluß. Harey lächelte verlegen. Ich tat, als wäre das die alltäglichste Sache der Welt, hob ein skalpellähnliches Instrument vom Fußboden auf und schnitt hinten den Stoff ein, wo der Halsausschnitt endete. Nun konnte Harey das Kleid über den Kopf ziehen. Der Schutzanzug war ihr etwas zu weit.
— Fliegen wir?… Aber du auch? — erkundigte sie sich, als wir fertig angekleidet das Zimmer verließen. Ich nickte nur. Ich hatte gräßliche Angst, wir könnten Snaut treffen, aber der Korridor zum Flughafen war leer, und die Tür zur Funkstation, an der wir vorbeimußten, war geschlossen.
In der Station herrschte immer noch Totenstille. Harey sah zu, wie ich mit einem kleinen elektrischen Wägelchen eine Rakete aus der mittleren Box auf die freie Bahn fuhr. Ich überprüfte der Reihe nach den Zustand des Mikroreaktors, der fernlenkbaren Steuer und der Düsen, dann schob ich den Flugkörper mit dem Startwägelchen auf die runde rollengelagerte Fläche der Startplattform unter dem zentralen Kuppeltrichter, von der ich vorher die leere Kapsel entfernt hatte.
Dieses Kleinschiff war für den Verkehr zwischen Station und Satelloid bestimmt; außer in Ausnahmefällen wurden darin nur Frachtladungen und nicht Menschen befördert, da es sich von innen nicht öffnen ließ. Gerade das kam mir gelegen und bildete einen Teil meines Plans. Natürlich hatte ich nicht vor, die kleine Rakete abzuschießen, aber ich tat alles, wie um sie zum echten Start bereit zu machen: Harey, die mich so oft auf Reisen begleitet hatte, wußte da ein wenig Bescheid. Ich überprüfte noch drinnen den Zustand der Klimaanlage und der Sauerstoffversorgung, setzte beides in Betrieb, und als nach dem Einschalten des Hauptstromkreises die Kontrollämpchen aufleuchteten, kroch ich aus der engen Zelle und wies Harey hinein, die an der Leiter stand.
— Steig ein.
— Und du?
— Ich komme nach. Ich muß hinter uns die Klappe schließen.
Ich nahm nicht an, daß sie den Betrug vorzeitig durchschauen konnte. Kaum war sie über die Leitersprossen ins Innere geklettert, steckte ich sofort den Kopf zum Einstieg hinein und fragte, ob sie bequem unterkommen könne, und als ich ein dumpfes, von der Enge des Raumes ersticktes «Ja» vernahm, wich ich zurück und knallte mit Schwung die Klappe zu. Mit zwei Bewegungen warf ich beide Riegel vor, dann begann ich mit dem bereitgehaltenen Schlüssel die fünf Halteschrauben in den Vertiefungen des Panzers anzuziehen.
Die zugespitzte Zigarre stand senkrecht, als sollte sie wirklich sogleich in den Raum hinausfliegen. Ich wußte, daß der Eingeschlossenen nichts passieren konnte: im Schiff gab es genug Sauerstoff und sogar ein wenig Proviant, im übrigen hatte ich durchaus nicht vor, sie ewig dort einzukerkern.
Ich wollte um jeden Preis wenigstens ein paar Stunden Freiheit gewinnen, um Pläne für die weitere Zukunft zu entwerfen und mich mit Snaut zu besprechen, jetzt schon auf gleichem Fuß.
Als ich die vorletzte Schraube anzog, spürte ich, daß die Metallstreben, zwischen denen die Rakete nur an Vorsprüngen aus drei Richtungen aufgehängt war, ganz leicht zitterten. Aber ich dachte, ich selbst hätte beim heftigen Arbeiten mit dem großen Schlüssel unabsichtlich den stählernen Körper ins Schwingen gebracht.