Am fünften Tag, oder vom Augenblick der Landung an gerechnet am einundzwanzigsten, unternahmen zwei Forscher, Carucci und Fechner (ersterer war Radiobiologe, letzterer Physiker), über dem Ozean einen Explorationsflug in einem kleinen zweisitzigen Aeromobil. Das war kein Flugzeug, sondern ein Gleitfahrzeug, das sich auf einem Polster verdichteter Luft fortbewegte.
Als sie nach sechs Stunden nicht zurück waren, verfügte Timolis, der in Shannahans Abwesenheit die Basis leitete, den Alarmzustand und schickte alle erreichbaren Leute auf die Suche.
Durch ein widriges Zusammentreffen von Umständen war an diesem Tag etwa eine Stunde nach dem Aufbruch der Forschungsgruppen die Funkverbindung abgerissen; die Ursache war ein großer Fleck der roten Sonne, der starke Korpuskularstrahlung in die äußeren Schichten der Atmosphäre aussendete. Nur die Ultrakurzwellengeräte funktionierten und ermöglichten die Verständigung über eine Distanz von nicht viel mehr als zwanzig Meilen. Zu allem Unglück wurde vor Sonnenuntergang der Nebel dichter, und die Suche mußte unterbrochen werden.
Als die Rettungsgruppen schon zur Basis unterwegs waren, entdeckte eine von ihnen das Aeromobil, kaum 80 Meilen vom Ufer entfernt. Der Motor arbeitete, und die Maschine schwebte unbeschädigt über den Wellen. In der durchsichtigen Kabine befand sich, halb bewußtlos, nur ein Mensch: Carucci.
Das Aeromobil wurde zur Basis gebracht, und Carucci ärztlicher Behandlung unterzogen; noch am selben Abend kam er zu sich. Über Fechners Schicksal konnte er nichts sagen. Er erinnerte sich nur mehr, daß er plötzlich Atemnot verspürt hatte, als sie eben beabsichtigt hatten, heimzukehren. Das Auslaßventil seines Apparats hatte sich verklemmt, und ins Innere des Raumanzugs gelangte bei jedemmal Atemholen eine geringe Menge giftiger Gase.
Fechner, der ihm den Apparat zu reparieren versuchte, mußte sich losschnallen und aufstehen. Das war das letzte, woran sich Carucci erinnerte. Die weiteren Ereignisse liefen laut Sachverständigenurteil vermutlich folgendermaßen ab: Beim Reparieren des Apparats von Carucci öffnete Fechner das Kabinendach, wahrscheinlich weil ersieh unter der niedrigen Kuppel nicht frei bewegen konnte. Das war zulässig, denn die Kabine solcher Maschinen ist nicht hermetisch und bildet nur einen Schutz gegen atmosphärische Einflüsse und gegen den Wind. Während dieser Hantierungen mußte auch Fechners Sauerstoffgerät ausgefallen sein, umnebelt klomm er nach oben, gelangte durch die Kuppelöffnung auf den Rumpf der Maschine hinaus und fiel in den Ozean.
Dies ist die Geschichte des ersten Ozean-Opfers. Die Suche nach dem Leichnam — im Raumanzug hätte er auf den Wellen treiben müssen — erbrachte keinerlei Resultate. Im übrigen schwamm er vielleicht auch: das genaue Durchkämmen tausender Quadratmeilen einer fast unausgesetzt von Nebelstreifen überlagerten wogenden Wüste überforderte die Möglichkeiten der Expedition.
Vor der Dämmerung — ich komme nun auf die vorigen Ereignisse zurück — trafen alle Rettungsmaschinen wieder ein, bis auf einen großen Lasthubschrauber, den Berton flog.
Er erschien über der Basis fast eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit, als man sich schon ernstlich um ihn ängstigte. Berton war im Zustand des Nervenschocks, befreite sich nur eigenhändig aus der Maschine, um blindlings davonzustürzen; als sie ihn aufhielten, schrie und weinte er; bei einem Mann, der siebzehn Jahre Raumfahrt unter oftmals schwersten Bedingungen hinter sich hatte, war das erstaunlich.
Die Ärzte nahmen an, auch Berton habe eine Vergiftung erlitten. Nach zwei Tagen erklärte Berton, der sogar nach der Rückkehr zu scheinbarer Ausgeglichenheit keinen Augenblick lang das Innere der Hauptrakete der Expedition verlassen und nicht einmal einem Fenster mit Ausblick auf den Ozean nahekommen wollte, er wünsche einen Bericht über seinen Flug vorzubringen. Berton bestand darauf und behauptete, das sei eine Sache von höchster Wichtigkeit. Dieser Bericht wurde nach Begutachtung seitens des Expeditionsrats für das krankhafte Produkt eines von atmosphärischen Gasen vergifteten Geistes erklärt und als solches nicht in die Expeditionsgeschichte, sondern in die Krankengeschichte Bertons aufgenommen, womit die ganze Sache ihr Ende fand.
Soviel sagte der Annex. Ich konnte mir denken, daß der springende Punkt an dem Ganzen selbstverständlich Bertons Bericht selbst war — das, was diesen Fernstreckenpiloten bis zum Nervenzusammenbruch gebracht hatte. Zum zweiten Mal begann ich in den Büchern zu stöbern, aber die „Kleine Apokryphe“ konnte ich nicht finden. Ich wurde immer müder, also verschob ich das Weitersuchen auf den nächsten Tag und verließ die Kabine. Als ich an der Aluminiumtreppe vorbeikam, sah ich Lichtflecken von oben auf die Stufen fallen. Sartorius arbeitete also immer noch, um diese Zeit! Ich dachte, ich sollte ihn doch sehen.