»Hallo, Mister Benati«, sagte Smiley und folgte ihm in ein Büro, das sie durchschritten, und in einen dahinterliegenden Raum, wo Mr. Benati die Tür schloß und sich bedächtig dagegen lehnte, vielleicht um jedes unbefugte Eindringen zu verhindern. Danach sprach längere Zeit keiner der beiden Männer ein Wort, dafür musterte jeder den anderen in respektvollem Schweigen. Mr. Benatis Augen waren braun und beweglich und blickten nirgendwo lange hin und nirgendwohin ohne bestimmten Grund. Der Raum machte den Eindruck eines dürftigen Boudoirs, mit einer Chaiselongue und einem rosa Waschbecken in einer Ecke. »Nun, wie geht's Geschäft, Toby?« fragte Smiley.
Toby Esterhase reagierte auf diese Frage mit einem besonderen Lächeln und einer besonderen Art, die kleinen Handflächen nach oben zu drehen.
»Es floriert, George. Erfolgreicher Start, dann fantastischer Sommer. Der Herbst, George« - wieder die Handbewegung -, »der Herbst, würde ich sagen, ist eher schleppend. Man muß, genau gesagt, vom eigenen Höker zehren. Kaffee, George? Meine Sekretärin kann uns Kaffee machen.«
»Wladimir ist tot«, sagte Smiley nach einer weiteren ziemlich langen Pause. »Erschossen, in Hampstead Heath.«
»Traurig. Der alte Mann, wie? Traurig.«
»Oliver Lacon möchte, daß ich den Aufwasch besorge. Da Sie der Postbote in der Gruppe waren, würde ich mich gern mit Ihnen unterhalten.«
»Klar«, sagte Toby entgegenkommend.
»Also wußten Sie davon? Von seinem Tod?«
»Hab's in der Zeitung gelesen.«
Smiley ließ die Blicke durch den Raum schweifen. Nirgends war eine Zeitung zu sehen.
»Irgendeine Theorie, wer es getan hat?« fragte Smiley.
»In
Vorsichtig ließ Smiley sich auf die Chaiselongue nieder und nahm, scharf beobachtet von Toby, das Bronze-Modell einer Tänzerin vom Tisch.
»Sollte dies hier nicht eine Nummer tragen, wenn es ein Degas ist, Toby?« fragte Smiley.
»Bei Degas gibt es eine gewaltige Grauzone, George. Da muß man schon hundertprozentig sicher sein.«
»Aber das hier ist echt?« fragte Smiley, und es klang, als wolle er es tatsächlich wissen.
»Vollkommen«.
»Würden Sie mir die Statuette verkaufen?«
»Was soll das?«
»Rein akademisches Interesse. Ist sie verkäuflich? Käme ich, gegebenenfalls, als Käufer überhaupt in Betracht?«
Toby zuckte leicht verlegen die Achseln.
»George, hören Sie, hier geht es um Tausende, verstehen Sie? So was wie eine Jahresrente oder dergleichen.«
»Wann haben Sie eigentlich zuletzt mit Wladimirs Netz zu tun gehabt, Toby?« fragte Smiley und stellte die Tänzerin wieder auf den Tisch.
Toby verdaute die Frage ausgiebig.
»Netz?« echote er schließlich
ungläubig. »Habe ich >Netz< gehört, George?« Normalerweise war in Tobys
Repertoire wenig Platz für Lachen, aber jetzt brachte er doch einen kleinen,
wenn auch verkrampften Heiterkeitsausbruch zustande. »Diese Gruppe von
Verrückten nennen Sie ein Netz? Zwanzig meschuggene Balten, undicht wie alte
Scheunen, das gibt bereits ein
»Nun ja, irgendwie müssen wir sie benennen«, meinte Smiley einlenkend.
»Irgendwie, klar. Bloß nicht Netz, okay?«
»Wie lautet also die Antwort?«
»Welche Antwort?«
»Wann hatten Sie den letzten Kontakt mit der Gruppe?«
»Jahre her. Bevor sie mich geschaßt haben. Jahre her.«
»Wieviele Jahre.«
»Weiß ich nicht.«
»Drei?«
»Möglich.«
»Zwei?«
»George, wollen Sie mich festnageln?«
»Sieht so aus. Ja.«
Toby nickte ernst, als habe er das schon die ganze Zeit kommen sehen.
»Und haben Sie vergessen, George, wie es bei unseren Lamplighters zuging? Wie überlastet wir waren? Wie meine Jungens und ich für die Hälfte aller Netze des Circus Postboten spielten? Erinnern Sie sich? Wieviele Treffs, wieviele Autokunden in einer Woche? Zwanzig, dreißig? Einmal, in der Hochsaison, vierzig? Gehen Sie in die Registratur, George. Wenn Sie Lacons Segen haben, gehen Sie in die Registratur, holen Sie die Akte, sehen Sie sich die Treff-Formulare an. Dann wissen Sie es genau. Kommen Sie nicht hierher und versuchen Sie nicht, mir ein Bein zu stellen, Sie wissen, was ich meine, wie? Degas, Wladimir- ich mag diese Fragen nicht. Ein Freund, ein ehemaliger Boß, mein eigenes Haus - es regt mich auf, okay?«
Nach dieser, sowohl für Smiley wie für ihn selber überraschend langen Rede schwieg Toby, als warte er darauf, daß Smiley die Erklärung für soviel Beredsamkeit lieferte. Dann trat er einen Schritt vor und drehte flehend die Handflächen nach oben.
»George«, sagte er vorwurfsvoll. »George, mein Name lautet Benati, okay?«
Smiley schien in tiefe Niedergeschlagenheit verfallen zu sein. Düster starrte er auf die Stapel schmieriger Kunstkataloge, die über den ganzen Teppich verteilt waren.