Was Mostyn selber betrifft, so spielte er in der Angelegenheit weiter keine Rolle mehr. Er reichte einige Monate später von sich aus seine Entlassung ein und erhöhte so die Ausschußrate, über die heutzutage allerseits so bewegte Klage geführt wird.
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Das
gleiche Ungewisse Licht, das Smiley begrüßte, als er dankbar aus der sicheren
Wohnung in die frische Luft dieses Hampstead-Morgens trat, begrüßte auch die Ostrakowa-obgleich
der Pariser Herbst schon weiter fortgeschritten war und nur noch einige wenige
Blätter an den Platanen hingen. Wie Smiley hatte sie eine ruhelose Nacht
verbracht. Noch vor Tagesanbruch war sie aufgestanden, hatte sich bedachtsam
angezogen und, da es draußen kalt aussah, überlegt, ob dies nicht der Tag sei,
die Winterstiefel hervorzuholen, denn der Durchzug im Lagerhaus konnte
abscheulich sein und setzte ihren Beinen immer mehr zu. Immer noch
unentschlossen hatte sie das warme Schuhwerk aus dem Schrank gefischt,
abgewischt und sogar poliert, ohne sich indes endgültig entscheiden zu können,
ob sie die Stiefel anziehen sollte oder nicht. So ging es ihr immer, wenn sie
sich mit einem großen Problem herumschlug: Die Kleinigkeiten wuchsen ihr über
den Kopf. Sie kannte alle die Zeichen, fühlte sie herankommen, konnte aber
nichts dagegen tun. Sie würde ihre Geldbörse verlegen, bei der Buchführung im
Lagerhaus patzen, sich aus ihrer Wohnung aussperren und diese alte Närrin von
Concierge holen müssen, Madame la Pierre, die schniefte und mit dem Kopf
ruckte, wie eine Ziege im Brennesselschlag. Auch konnte sie in dieser Stimmung,
trotz fünfzehnjähriger Gewohnheit, in den falschen Bus steigen und wütend in
irgendeiner fremden Umgebung wieder auftauchen. Schließlich zog sie die Stiefel
doch an - nannte sich dabei brummend »alte Närrin, Kretin« und dergleichen
mehr - und machte sich mit ihrer schweren Einkaufstasche, die sie schon am
Vorabend bereitgestellt hatte, auf den gewohnten Weg. Sie ging an ihren drei
Stammgeschäften vorbei, ohne eines davon zu betreten, und versuchte
herauszufinden, ob sie dabei sei, den Verstand zu verlieren oder nicht.
In
den vier Wochen, die seit dem Besuch ihres kleinen estnischen Beichtvaters
vergangen waren, hatte sie viele Veränderungen an sich festgestellt, und für
die meisten war sie gar nicht undankbar. Die Frage, ob sie sich in ihn verliebt
habe, stand dabei nicht zur Debatte: Er war im genau richtigen Augenblick
erschienen, und das Piratenhafte an ihm hatte ihren Oppositionsgeist neu angefacht,
als er gerade zu erlöschen drohte. Der Magier hatte sie dem Leben
wiedergegeben, und er besaß genug von einem Gassenkater, um sie an Glikman und
auch an andere Männer zu erinnern; sie war nie eine Kostverächterin gewesen.
Und da der Magier, dachte sie, zu alledem gut aussieht und ein Frauenkenner ist
und in mein Leben tritt, bewaffnet mit einem Bild meines Peinigers sowie dem
offensichtlichen Vorsatz, diesem Burschen das Handwerk zu legen - nun, da wäre
es doch für eine alte einsame Närrin wie mich ausgesprochen unschicklich, sich
Doch
mehr als sein Zauber hatte sie sein Ernst beeindruckt. »Sie dürfen nicht
Sie hatte Besserung gelobt.
»Die Gefahr ist absolut«, hatte er zu ihr gesagt, als er ging. »Es liegt nicht in Ihrer Macht, sie größer oder kleiner zu machen.« Schon früher hatten manche Leute ihr von Gefahr gesprochen, aber wenn der Magier es sagte, so glaubte sie ihm.
»Gefahr für meine Tochter?« hatte sie gefragt. »Gefahr für Alexandra?«
»Ihre Tochter hat damit nichts zu tun. Sie können sicher sein, daß das Mädchen keine Ahnung von dem hat, was vorgeht.«
»Gefahr für wen also?«
»Gefahr für uns alle, die wir von der Sache wissen«, hatte er geantwortet, als sie ihm unter der Tür voll Glück eine - die einzige - Umarmung gewährte. »Gefahr vor allem für Sie.«