Читаем Paganinis Fluch полностью

In Gedanken kehrt er in die Pathologie und zu dem nackten Körper auf dem Tisch in dem gekachelten Raum zurück, zum Leichengeruch, den schlaffen Zügen in einem Gesicht jenseits des Schlafs.

Draußen, in der Sonne, verschiebt sich Erixons voluminöser Körper Zentimeter für Zentimeter, während er auf der Reling Fingerabdrücke sichert, mit Magnetpulver bepinselt und mit Tape abnimmt. Vorsichtig wischt er eine feuchte Oberfläche trocken, tröpfelt SPR-Lösung darauf und fotografiert die auftauchenden Abdrücke.

Joona hört ihn unentwegt schwer seufzen, als wäre jede Bewegung mit quälender Mühe verbunden, als hätte er sich in diesem Moment endgültig verausgabt.

Joona blinzelt zum Deck hinaus und sieht neben einem Turnschuh einen Eimer mit einer Schnur liegen. Aus der Pantry schlägt ihm muffiger Kartoffelgeruch entgegen.

Sein Blick kehrt zu dem Führerschein und dem kleinen Foto zurück. Er betrachtet den Mund der jungen Frau, die Lippen, die leicht geöffnet sind, und denkt unvermittelt, dass etwas fehlt.

Er hat das Gefühl, etwas gesehen zu haben, irgendetwas hat ihm auf der Zunge gelegen, aber dann ist der Gedanke wieder verschwunden.

Joona zuckt zusammen, als das Handy in seiner Tasche summt. Er zieht es heraus, sieht im Display, dass es Åhlén ist, und meldet sich.

»Joona.«

»Mein Name ist Nils Åhlén, ich bin Chefpathologe der Rechtsmedizin in Stockholm.«

Joona verzieht den Mund. Sie kennen sich seit zwanzig Jahren.

»Hat sie sich vielleicht den Kopf angeschlagen?«, fragt Joona.

»Nein«, antwortet Åhlén erstaunt.

»Ich dachte nur, dass sie bei einem Sprung ins Wasser vielleicht gegen einen Stein gestoßen sein könnte.«

»Nein, nichts dergleichen – sie ist ertrunken, das ist die Todesursache.«

»Du bist dir sicher?«, beharrt Joona.

»Ich habe Schaum in den Nasenlöchern gefunden, Schleimhautrisse im Hals, vermutlich aufgrund heftiger Brechreflexe, und es gibt Bronchialsekret sowohl in der Trachea als auch in den Bronchien. Die Lunge hat ein für Ertrinken typisches Aussehen, sie ist mit Wasser gefüllt, hat ein größeres Gewicht und … tja.«

Sie schweigen beide. Joona hört ein scharrendes Geräusch, das klingt, als würde jemand einen metallenen Rollcontainer schieben.

»Du hast doch sicher aus einem bestimmten Grund angerufen«, sagt Joona.

»Das ist richtig.«

»Magst du ihn mir nennen?«

»Sie hatte einen hohen Gehalt an Tetrahydrocannabinol im Urin.«

»Cannabis?«

»Ja.«

»Aber daran ist sie nicht gestorben«, sagt Joona.

»Wohl kaum«, erwidert Åhlén amüsiert. »Ich habe mir nur überlegt, dass du gerade versuchst, das Geschehen auf der Jacht zu rekonstruieren …, und dass dies ein kleines Detail in dem Puzzle ist, von dem du noch nichts gewusst hast.«

»Sie heißt Penelope Fernandez«, sagt Joona.

»Angenehm«, murmelt Åhlén.

»War sonst noch was?«

»Nein.«

Åhlén atmet in den Hörer.

»Sag es trotzdem.«

»Es ist nur, dass es kein gewöhnlicher Todesfall ist.«

Åhlén verstummt.

»Was hast du gesehen?«

»Nichts, es ist nur so ein Gefühl …«

»Bravo«, erwidert Joona. »Jetzt klingst du schon wie ich.«

»Ich weiß, aber … Natürlich kann es sich um mors subita naturalis, einen schnellen, aber dennoch ganz natürlichen Tod handeln … Nichts spricht dagegen, aber wenn es ein natürlicher Tod gewesen ist, dann ist es ein ziemlich ungewöhnlicher natürlicher Tod gewesen.«

Sie beenden das Gespräch, aber Åhléns Worte gehen Joona nicht mehr aus dem Kopf, mors subita naturalis. Penelope Fernandez’ Tod bleibt rätselhaft. Ihre Leiche wurde nicht einfach von jemandem im Wasser gefunden und an Bord geschafft. Dann hätte sie auf Deck gelegen. Man könnte sich zwar vorstellen, dass die Person, die sie fand, die tote Frau fürsorglich behandeln wollte, aber dann hätte man sie in den Salon getragen, sie dort auf die Couch gelegt.

Die letzte Möglichkeit, überlegt Joona, besteht natürlich darin, dass sich jemand um sie gekümmert hat, der sie liebte, der sie in ihr eigenes Zimmer, ihr eigenes Bett legen wollte.

Aber sie saß doch auf dem Bett. Sie saß aufrecht.

Vielleicht irrt Åhlén sich, vielleicht lebte sie noch, als ihr an Bord und in ihr Zimmer geholfen wurde. Die Lunge könnte schwer geschädigt, nicht mehr zu retten gewesen sein. Vielleicht war ihr schlecht, und sie wollte sich hinlegen und ihre Ruhe haben.

Aber wieso ist an ihren Kleidern und am restlichen Körper dann kein Wasser?

Es gibt eine Süßwasserdusche an Bord, denkt Joona und sagt sich, dass er den Rest des Boots untersuchen, sich die Kajüte achtern, das Badezimmer und die Pantry anschauen muss.

Als Erixon sich aufrichtet und in seiner ganzen Leibesfülle zwei Schritte nach vorn macht, schaukelt erneut das ganze Boot.

Ein weiteres Mal blickt Joona durch die Glastüren hinaus, und zum zweiten Mal fällt sein Blick auf den Eimer mit der Schnur. Er steht neben einer Zinkwanne, in die jemand einen Neopren-Anzug geworfen hat. Die Wasserskier liegen parallel zur Reling. Joonas Blick kehrt zu dem Eimer zurück. Er betrachtet die Schnur, die um den Griff gebunden ist. Der geschwungene Rand der Zinkwanne glänzt in der Sonne, leuchtet wie eine Mondsichel.

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