»Was haben Sie gesehen, als Sie es betrachteten? Haben Sie die Personen erkannt?«
»Ja … drei von ihnen, aber …«
Sie verstummt.
»Erzählen Sie mir, was Sie gedacht haben, als Sie sich das Bild anschauten?«
»Dass mich jemand in einer Fernsehsendung gesehen haben muss«, sagt sie und sammelt sich kurz, ehe sie weiterspricht. »Ich habe gedacht, dass dieses Foto einfach typisch ist … Palmcrona soll doch neutral sein, das ist doch entscheidend … und dann geht er in die Oper und stößt mit dem Chef von Silencia Defence und einem Waffenhändler an, der in Afrika und im Mittleren Osten tätig ist … ich finde, das ist wirklich ein Skandal.«
»Was hatten Sie mit dem Bild vor?«
»Nichts«, antwortet sie. »Was soll man da machen, es ist, wie es ist, aber gleichzeitig … ich weiß noch, dass ich gedacht habe … jetzt weiß ich jedenfalls, woran ich bei Palmcrona bin.«
»Ja.«
»Es hat mich an diese Idioten von der Einwanderungsbehörde erinnert, die irgendwann mit russischem Sekt darauf angestoßen haben, dass sie eine Familie abgewiesen hatten. Sie feierten, als Sie einer Hilfe suchenden Familie politisches Asyl in Schweden verweigert hatten, einer Familie mit einem kranken Kind …«
Penelope verstummt erneut.
»Wissen Sie, wer die vierte Person auf dem Bild ist? Die Frau?«
Penelope schüttelt den Kopf.
»Agathe al-Haji.«
»Das ist Agathe al-Haji?«
»Ja.«
»Warum ist …«
Penelope verstummt und starrt Saga mit großen Augen an.
»Wissen Sie, wann das Foto gemacht worden ist?«, fragt Saga.
»Nein, aber der Haftbefehl gegen al-Bashir wurde im März 2009 erlassen und …«
Penelope unterbricht sich ein zweites Mal abrupt, und ihr Gesicht läuft rot an.
»Das Bild ist später entstanden«, sagt sie. »Stimmt’s? Das Foto wurde nach dem Haftbefehl gegen den Präsidenten gemacht.«
»Was bringt Sie dazu, das anzunehmen?«, fragt Saga.
»Aber so ist es doch, oder etwa nicht?«, wiederholt Penelope.
»Ja«, antwortet Joona.
Alle Farbe weicht aus ihren Wangen.
»Das Geschäft mit Kenia«, sagt sie. »Darum geht es auf dem Bild, um das Geschäft mit Kenia, darum dreht sich alles, das sieht man auf dem Bild, der Kenia-Vertrag, das handelt Palmcrona mit aus, den Verkauf von Munition an Kenia. Ich wusste, dass da was nicht stimmt, ich wusste es.«
»Sprechen Sie weiter«, sagt Joona.
»Kenia hat doch stabile Handelsverträge mit Großbritannien. Der Sudan will die Munition kaufen. Die Ware soll über Kenia in den Sudan und nach Darfur geliefert werden.«
»Ja«, bestätigt Saga. »Wir glauben auch, dass es sich so verhält.«
»Aber das ist doch verboten, schlimmer noch … es ist ein totaler Verrat, ein Verstoß gegen internationales Recht, hier geht es um Verbrechen gegen die Menschlichkeit …«
Sie verstummt erneut.
»Deshalb ist das also alles passiert«, sagt sie schließlich. »Und nicht, weil Björn versucht hat, jemanden zu erpressen.«
»Durch seinen Erpressungsversuch haben diese Leute nur erfahren, dass es eine Aufnahme gibt, die sie entlarven könnte.«
»Ich habe geglaubt, das Bild wäre peinlich«, sagt Penelope. »Peinlich, aber auch nicht mehr.«
»Aus deren Perspektive fing alles damit an, dass Palmcrona anrief und von der Erpressung berichtete«, erläutert Saga. »Vorher wussten sie nichts von der Existenz des Fotos. Palmcronas Anruf setzte sie unter Druck. Sie konnten unmöglich wissen, wie viel oder wie wenig es enthüllte, aber sie begriffen natürlich, dass es nicht gut war. Wir wissen nicht, was in ihren Köpfen vorging. Vielleicht dachten sie, Sie oder Björn hätten das Foto von ihnen in der Loge gemacht.«
»Aber …«
»Sie konnten nicht wissen, wie viel oder wie wenig Sie wussten. Aber sie wollten kein Risiko eingehen.«
»Ich verstehe«, sagt Penelope. »Und es geht immer noch um das Gleiche, nicht wahr?«
»Ja.«
Penelope nickt für sich.
»In ihren Augen könnte ich die einzige Zeugin des Geschäfts sein«, sagt sie.
»Sie haben viel Geld in diesen Vertrag mit Kenia investiert.«
»Das geht nicht«, flüstert sie.
»Was sagen Sie?«
Penelope schaut auf, begegnet Sagas Blick.
»Sie dürfen keine Munition in die Provinz Darfur pumpen, das geht einfach nicht, ich bin dort zwei Mal gewesen …«
»Das ist denen egal, ihnen geht es nur ums Geld«, meint Saga.
»Nein, es geht um … es geht um viel mehr«, widerspricht Penelope und richtet den Blick auf die Wand. »Es geht um …«
Sie schweigt und erinnert sich an das Knirschen, als eine Lehmfigur unter den Hufen einer Ziege zerbrochen wurde. Eine kleine Frau aus sonnengetrocknetem Lehm wurde in Bruchstücke verwandelt. Ein Kind lachte und rief, das sei Nufis hässliche Mutter gewesen. Alle Fur sollen sterben, alle sollen ausgerottet werden, riefen die anderen Kinder mit fröhlichen Gesichtern.
»Was versuchen Sie uns zu sagen?«, fragt Saga.
Penelope sieht sie an, begegnet für Sekunden Sagas Blick, antwortet aber nicht. In Gedanken kehrt sie in ihre Erinnerungen an den Monat in Kenia und im südwestlichen Sudan zurück.