»Wir wissen beide, daß es andere Wege gibt, einen Menschen zu vernichten, Tom.«sagte Dumbledore ruhig und ging weiter auf Voldemort zu, als ob er nichts in der Welt zu fürchten hätte, als ob nichts geschehen wäre, das ihn dabei gestört hätte, durch die Halle zu spazieren.»Nur dein Leben zu nehmen, würde mich nicht zufriedenstellen, das gebe ich zu -«
»Es gibt nichts schlimmeres als den Tod, Dumbledore!«knurrte Voldemort.
»Da liegst du völlig falsch,«sagte Dumbledore, während er sich Voldemort immer weiter näherte und so unbefangen sprach, als würden sie die Angelegenheit bei einem Gläschen besprechen. Harry fühlte Entsetzen, als er ihn weitergehen sah, ungedeckt und schutzlos; er wollte ihm eine Warnung zurufen, aber sein kopfloser Wächter schob ihn weiter nach hinten zur Wand, und vereitelte jeden seiner Versuche, hinter ihm hervor zu kommen.»In der Tat, deine Unfähigkeit zu begreifen, daß es viel schlimmere Dinge als den Tod gibt, war immer deine größte Schwäche -«
Ein weiterer Strahl aus grünem Licht zischte hinter dem silbernen Schild hervor. Diesmal fing der einarmige Zentaur, der sich gallopierend vor Dumbledore stellte, den Strahl ab und zersprang in hundert Teile, aber noch bevor die Bruchstücke den Boden erreichten, hatte Dumbledore wieder seinen Zauberstab gezogen und ließ ihn durch die Luft sausen wie bei einem Peitschenschlag. Eine lange, dünne Flamme schoss aus der Spitze hervor; sie wickelte sich um Voldemort mitsamt seinem Schild. Einen Moment lang schien es, als hätte Dumbledore gewonnen, aber dann verwandelte sich das flammende Band in eine Schlange, die sofort ihren Griff um Voldemort löste und sich mit einem wütenden Zischen Dumbledore zuwandte.
Voldemort verschwand; die Schlange richtete sich vom Boden auf, bereit zum Zustoßen -
Ein Feuerball entstand mitten in der Luft über Dumbledore, gerade als Voldemort wieder erschien, er stand auf dem Podest in der Mitte des Beckens, wo kurz vorher noch die fünf Statuen gestanden hatten.
Aber schon während er schrie, flog ein neuer Strahl aus grünem Licht von Voldemorts Zauberstab auf Dumbledore zu, und die Schlange stieß zu -
Fawkes stieß vor Dumbledore herab, öffnete weit seinen Schnabel und verschluckte den grünen Lichtstrahl in einem Stück; er ging in Flammen auf und fiel auf den Boden, als kleines, verschrumpeltes, flügelloses Küken. Im gleichen Moment schwang Dumbledore seinen Stab in einer langen, fließenden Bewegung – die Schlange, die kurz davor war, ihre Fänge in ihn zu schlagen, flog hoch in die Luft und verschwand in einer Wolke aus dunklem Rauch; und das Wasser in dem Becken erhob sich und umschloss Voldemort wie ein Kokon aus geschmolzenem Glas.
Ein paar Sekunden lang war Voldemort nur als eine dunkle, gekräuselte, gesichtslose Gestalt erkennbar, die undeutlich auf dem Podest schimmerte und offensichtlich darum rang, die erstickende Masse um sie herum abzuwerfen -
Dann war er verschwunden, und das Wasser stürzte klatschend wieder in sein Becken zurück, schwappte heftig über die Ränder hinweg und überspülte den Boden.
»MEISTER!«schrie Bellatrix.
Sicher, daß es vorbei war, und sicher, daß Voldemort die Flucht ergriffen hatte, versuchte Harry, hinter seiner Wächterstatue hervorzulaufen, aber Dumbledore brüllte»Bleib, wo du bist, Harry!«
Zum ersten mal klang Dumbledore besorgt. Harry konnte nicht erkennen, warum. Die Halle war völlig leer, abgesehen von ihnen beiden, der schluchzenden Bellatrix, die immer noch unter der Hexenstatue gefangen war, und dem Phönixküken Fawkes, der leise auf dem Boden krächzte -.Dann schien Harrys Narbe zu explodieren, und er dachte, er müsse sterben; es war Schmerz jenseits jeglicher Vorstellung, Schmerz bis zum Unerträglichen -
Er war nicht länger in der Halle, er war gefangen im Leib einer Kreatur mit roten Augen, so eng mit ihr verwachsen, daß er nicht wußte, wo sein Körper endete und der der Kreatur begann; sie waren miteinander verschmolzen, verbunden durch Schmerzen, und es gab kein Entkommen -
Und als die Kreatur sprach, benutzte sie Harrys Mund, und in seiner Agonie fühlte er, wie sich sein Kiefer bewegte…
»Töte mich doch, Dumbledore…”
Blind und sterbend, während jeder Teil seines Körpers nach Erlösung schrie, spürte Harry, wie die Kreatur ihn erneut benutzte…
»Wenn der Tod nichts bedeutet, Dumbledore, dann töte den Jungen…«
Doch als Harrys Herz sich mit Emotionen füllte, lösten sich die Windungen der Kreatur, der Schmerz war vorüber;
Harry lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, seine Brille war fort, und er zitterte, ab ob er auf Eis statt Holz läge…