Der
Gemäß dem "Prinzip des breiten Kontextes" leitet der zweite Abschnitt zur Analyse der Kulturauffassungen der frühen Kirchenväter über. Auf Grundlage einer Auswertung praktisch aller uns überlieferter Texte jener griechischen und lateinischen Autoren (Justinus der Philosoph und Märtyrer, Tatian der Syrer, Athenagoras, Theophil von Andochien, Irenäus von Lyon, Hippolyt von Rom, Klemens von Alexandrien, Tertullian, Minucius Felix, Cyprian, Arnobius und Lachtantius) läßt sich erweisen, daß sie die Begründer einer prinzipiell neuen Kulturauffassung, nämlich der christlichen, waren und Theoretiker einer Kultur wurden, die das Leben in Europa bis ins 20. Jh. hinein bestimmte oder mitbestimmte.
Weiter ergab sich, daß die Apologeten, ausgehend von einer tendenziösen Kritik der antiken Kultur und dem Aufzeigen des ihrer Meinung nach unvermeidlichen Untergangs dieser Epoche, alle wichtigen Aspekte einer weiteren Entwicklung der Menschheit auf Grundlage der Evangelien durchdachten. Diese zwei Aspekte der Lehren der Kirchenväter - die ethische Kritik am Bestehenden und die Entwicklung einer neuen christlichen Weltanschauung - werden in der gesamten Monographie sorgfältig voneinander unterschieden und doch auch in ihrer Bezogenheit aufeinander dargestellt, so daß insgesamt deutlich wird, welche Elemente der Lehren aus dem geistigen Umfeld übernommen wurden und welche als eigener Beitrag des frühen Christentums zum kulturtheoretischen und ästhetischen Denken angesehen werden müssen.
Der zweite Teil des Abschnittes "Die philosophisch-teologische Konzeption der frühen Patristik" entwickelt die Gedanken weiter, indem er die wesentlichen Aspekte der patristischen Ontologie, Gnoseologie und Ethik darstellt und eine Analyse des Begriffs "Held" folgen läßt, der sich in dieser Periode im Christentum herausbildete. Denn das frühe Christentum entwarf ein bis zu dieser Zeit unbekanntes Bild vom 'Krieger Christi', von den Krieger-Märtyrern, den Krieger-Bekennern, die dem Feuer und Schwert ihrer Gegner mit mannhafter Geduld, Widerstandskraft und Demut, mit dem Wort der Wahrheit und mit Tugend entgegentreten.
Der dritte Abschnitt "Die ethisch-religiöse Dominante im künstlerischen Schaffen" wendet sich der Problematik des Menschen, genauer der Frage nach dem frühchristlichen Humanismus zu und zeigt, daß das Christentum, das in der Dornenkrone, im Leiden und schmachvollem Tod des Gottessohnes die Rettung der Menschen sah, einen für die antike Welt völlig neuen Zugang zur Frage nach dem Sein des Menschen entwickelte. Sich an die Ideen der Stoiker und Kyniker anlehnend und entsprechend der neutestamentlichen Forderung auf Nächstenliebe bezeichneten die Kirchenväter der ersten Jahrhunderte Menschlichkeit und Nächstenliebe als die wichtigsten Prinzipien des menschlichen Zusammenlebens, erhoben also Forderungen, die bis in die heutige Zeit reichen.