»Da kommt Laurana«, sagte Tolpan dankbar, erfreut, seine Lektion in Sachen Zwergenhandwerk überstanden zu haben. Flints Blick wanderte von der Steinmauer zu Laurana, die aus einem riesigen, dunklen Korridor, der zu den Zinnen führte, auf sie zukam. Sie war wieder in die Rüstung gekleidet, die sie auch im Turm des Oberklerikers getragen hatte; das Blut war von der goldverzierten stählernen Brustplatte entfernt worden, die Beulen ausgebessert. Sie ging langsam, ihre Augen waren auf den östlichen Horizont gerichtet, wo sich die Berge wie dunkle Schatten gegen den sternenklaren Himmel abhoben. Das Mondlicht berührte ihr Gesicht. Als Flint sie ansah, seufzte er.
»Sie hat sich verändert«, sagte er leise zu Tolpan. »Und Elfen verändern sich normalerweise niemals. Erinnerst du dich, als wir ihr in Qualinesti begegnet sind? Im Herbst, nur vor sechs Monaten. Es könnte Jahre her sein…«
»Sie ist immer noch nicht über Sturms Tod hinweg. Es ist erst eine Woche her«, sagte Tolpan. Sein spitzbübisches Kendergesicht war ungewöhnlich ernst und nachdenklich.
»Es ist nicht nur das.« Der alte Zwerg schüttelte den Kopf.
»Es muß mit der Begegnung mit Kitiara oben auf der Mauer des Turms des Oberklerikers zusammenhängen. Kitiara muß irgend etwas getan oder gesagt haben. Der Teufel soll sie holen!« schnappte der Zwerg böse. »Ich habe ihr niemals getraut! Nicht einmal in den guten alten Zeiten.
»Ich kann nicht glauben, daß Kitiara eine Drachenfürstin ist. Sie war immer… immer…«, Tolpan suchte nach Worten, »nun, lustig!«
»Lustig?« fragte Flint mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Vielleicht. Aber auch kalt und selbstsüchtig. O ja, sie war auch charmant, wenn sie wollte.« Flints Stimme wurde leiser. Laurana hätte etwas hören können. »Tanis hat das nie gesehen. Er glaubte immer, unter Kitiaras Oberfläche stecke mehr. Er meinte, nur er allein würde das kennen, ihr zartes Herz, das sie mit einer harten Schale nur zu verbergen suchte. Hah! Sie hat soviel Herz wie diese Steine hier.«
»Was gibt es Neues, Laurana?« fragte Tolpan fröhlich, als das Elfenmädchen sie erreichte.
Laurana lächelte ihre alten Freunde an, aber, wie Flint gesagt hatte, es war nicht mehr das unschuldige, fröhliche Lächeln des Elfenmädchens, das unter den Espen in Qualinesti gewandelt war. Jetzt war ihr Lächeln wie die düstere Sonne in einem kalten Winterhimmel. Es gab Licht, aber keine Wärme, vielleicht weil ihre Augen keine Wärme ausstrahlten.
»Ich bin Befehlshaber der Armee«, sagte sie einfach.
»Herzliche…«, begann Tolpan, aber seine Stimme erstarb beim Anblick ihres Gesichts.
»Es gibt keinen Grund, mich zu beglückwünschen«, sagte Laurana bitter. »Was befehlige ich? Eine Handvoll Ritter, die in einer zerstörten Bastion meilenweit entfernt in den VingaardBergen festsitzen, und tausend Männer, die auf den Mauern dieser Stadt stehen.« Sie ballte ihre behandschuhten Hände, ihre Augen waren auf den östlichen Himmel gerichtet, der die ersten Anzeichen des Morgenlichts zeigte. »Wir sollten schon von hier weg sein! Während die Drachenarmee immer noch verstreut ist und versucht, sich neu zu gruppieren! Wir könnten sie mühelos besiegen. Aber nein, wir wagen uns nicht hinaus in die Ebenen nicht einmal mit den Drachenlanzen. Denn was nützen sie schon gegen Drachen im Flug? Wenn wir eine Kugel der Drachen hätten…«
Sie schwieg einen Moment lang, dann holte sie tief Luft. Ihr Gesicht verhärtete sich. »Nun, wir haben keine. Es hat keinen Sinn, darüber nachzudenken. So stehen wir also hier, auf den Zinnen von Palanthas, und warten auf den Tod.«
»Nun komm, Laurana«, wandte Flint ein, nachdem er sich geräuspert hatte, »vielleicht steht die Lage gar nicht so schlecht. Diese Stadt ist von guten, soliden Mauern umgeben. Tausend Männer können sie mühelos halten. Die Gnome mit ihren Katapulten bewachen den Hafen. Die Ritter bewachen den einzigen Paß durch die Vingaard-Berge, und wir haben Männer zur Verstärkung nachgeschickt. Und wir