Dann begann sich das Boot zu bewegen. Und es waren keine willkürlichen wilden Stöße mehr, sondern ein fast sanftes Drehen, als es von einer neuen, sehr machtvollen Strömung gepackt wurde...
... und den spitzen Bug nach Norden richtete.
Direkt auf den Schlund.
Tally schrie in heller Panik auf, als sie begriff. Wo Sekunden zuvor noch das gewaltige eiserne Schleusentor gewesen war, gähnte eine Lücke, aus der Entfernung betrachtet nicht breiter als ihre Hand, und mit hoch aufschießendem, gischtenden Wasser gefüllt. Aber sie wurde breiter, im gleichen Maße, in dem die Geschwindigkeit ihres Schiffes zunahm.
Und dahinter lag der Wasserfall, eine Glocke aus sprühendem Nebel und Donner, die Kante der Welt, über die der Fluß hinausschoß, um sich in der Leere zu verlieren.
»Dieser Idiot!« brüllte Weller. »Er hat das falsche Tor geöffnet!«
Tally wollte antworten, aber sie konnte es nicht. Sie war gelähmt. Der Anblick paralysierte sie, lähmte ihren Körper, ihre Gedanken, ihre Seele. Das Boot schoß, schneller und schneller werdend, auf die sich öffnende Schleuse zu, und plötzlich begann Karan wie besessen an seinen Hebeln zu zerren und zu reißen. Immer weiter und weiter stieg ihre Geschwindigkeit. Die Schleuse jagte auf sie zu, wuchs von einer handbreiten Spalte zu einem gewaltigen klaffenden Maul und nahm für einen unendlich kurzen Moment die gesamte Welt ein.
Dann waren sie hindurch, und vor ihnen lag nichts mehr als eine halbe Meile Wasser, das so schnell dahinschoß, daß es zu Glas zu werden schien. Gischt und Donner blieben hinter ihnen zurück. Das Boot beschleunigte noch weiter, wurde schneller und schneller und schneller und schien sich schließlich gar ein Stückweit aus dem Wasser zu herauszuheben.
»Festhalten!« brüllte Karan.
Seine Worte gingen im urgewaltigen Tosen des Wasserfalles unter. Das Schiff schoß mit der Schnelligkeit eines Pfeiles in die Glocke aus sprühendem Wasser und Lärm hinein, jagte auf den Rand der Welt zu und ritt noch einen Moment auf dem glitzernden Strom, der fünfzig, hundert Meter weit ins Nichts hinausführte, ehe er sich senkte und zu feuchtem Staub wurde, der fünf Meilen weit in die Tiefe stürzte.
Dann war unter ihnen nichts mehr. Die Zeit schien stehenzubleiben. Tally sah winzige, glitzernde Wassertropfen, die schwerelos in der Luft zu schweben schienen, den gewaltigen donnernden Strom, der sie hinausgerissen hatte, die Klippe, die plötzlich nicht mehr vor, sondern für einen unendlich kurzen Moment neben und dann hinter ihnen lag, und dann...
... und dann begann sich der Bug des Schiffes langsam zu senken.
Und der Sturz in die Hölle begann.