Außer der sie auf die Oberfläche des Flügel ziehenden künstlichen Schwerkraft war Naydrad noch durch zwei am Anzug befestigte Sicherheitsleinen mit dem Schiff verbunden. Denn wer im Hyperraum über Bord ging, war verloren — und zwar viel unwiederbringlicher und endgültiger, als man es sich überhaupt vorstellen kann.
Die Geräte und Medikamente des Unfalldecks waren zwar bereits von Naydrad und Prilicla überprüft worden, aber Conway mußte alles noch einmal einer abschließenden Kontrolle unterziehen. Prilicla, der mehr Ruhe als seine weit weniger empfindlichen und zerbrechlichen Kollegen brauchte, hielt sich in seiner Kabine auf, und da Naydrad draußen war, konnte Conway deren Arbeit ohne den Nichtbeachtung vortäuschenden Empathen und die mißbilligend ihr Fell kräuselnde Kelgianerin wiederholen.
„Zuerst werde ich die Drucktragbahre überprüfen“, sagte er.
„Ich helfe dir“, entgegnete Murchison. „Auch bei den Medikamentenvorräten unten. Ich bin nämlich überhaupt nicht müde.“
„Wie du mittlerweile wissen solltest, lautet der richtige Ausdruck ›auf dem Unterdeck‹ und nicht einfach nur ›unten‹“, belehrte Conway sie, als er die Schiebetür zum Aufbewahrungsraum der Drucktrage öffnete. „Willst du beim Captain etwa den Eindruck erwecken, daß du dich ausschließlich für dein eigenes Spezialgebiet interessierst?“
Murchison lachte leise und antwortete: „Nach der unerträglich herablassenden Art, in der er mit mir redet oder vielmehr mich belehrt, scheint er von mir sowieso einen solchen Eindruck zu haben.“ Sie half ihm beim Herausrollen der Trage und fügte lebhaft hinzu: „Laß uns die Hülle mit einem Edelgas auf dreifachen Normaldruck füllen, nur falls wir diesmal einen bei hoher Schwerkraft lebenden Patienten bekommen. Danach können wir ja noch ein paar eventuell benötigte Atmosphären herstellen.“
Conway nickte zustimmend und trat einen Schritt zurück, als sich die dünne, aber äußerst strapazierfähige Hülle nach außen wölbte. Innerhalb weniger Sekunden war sie so straff geworden, daß sie wie eine längliche Glaskuppel aussah, die die gesamte Oberseite der Trage umschloß. Der Innendruckmesser zeigte einen konstanten Wert an.
„Keine Lecks“, stellte Conway fest und schaltete die Pumpe an, die das Edelgas aus der Hülle wieder absaugte und erneut verdichtete. „Als nächstes versuchen wir es mal mit der illensanischen Atmosphäre. Setz bitte die Maske auf, nur für alle Fälle.“
Im Boden der Trage befand sich ein Staufach, auf dessen Regalen die wichtigsten chirurgischen Instrumente lagen. Außerdem befanden sich dort Handschuhverlängerungen, die dem Arzt eine Behandlung des Patienten ohne Öffnung der Hülle ermöglichten, und Gasmasken mit Mehrzweckfiltern für verschiedene physiologische Spezies. Conway reichte Murchison eine Maske, legte selbst eine an und sagte: „Ich finde trotzdem, du solltest dich stärker darum bemühen, den Eindruck zu vermitteln, daß du genauso intelligent wie schön bist.“
„Oh, vielen Dank, mein Schatz“, antwortete Murchison mit durch die Maske gedämpfter Stimme. Sie beobachtete Conway einen Augenblick lang beim Ablesen der Kontrollinstrumente für das Mischungsverhältnis, durch die er nachprüfen konnte, ob der ätzende gelbe Dunst, der langsam in die Hülle strömte, auch tatsächlich mit der Atmosphäre der chloratmenden Bewohner von Illensa identisch war. Dann fuhr sie fort: „Vor zehn oder vielleicht sogar noch vor fünf Jahren mag das ja der Fall gewesen sein. Damals hieß es, ich würde jedesmal, wenn ich einem leichten Anzug trage, Blutdruck, Puls und Atemfrequenz von jedem noch nicht völlig vergreisten männlichen DBDG im Hospital mühelos in die Höhe treibe.
Soweit ich mich erinnern kann, hast vor allem du das immer wieder behauptet.“
„Also, diese Wirkung übst du auf terrestrische DBDGs noch immer aus, das kannst du mir glauben“, entgegnete Conway und hielt ihr kurz zum Pulsmessen das Handgelenk hin. „Aber du solltest dich lieber darauf konzentrieren, die Schiffsoffiziere mit deinem Intellekt zu beeindrucken.
Erstens hab ich sonst viel zuviel Konkurrenz, und zweitens betrachtet dich der Captain womöglich noch als Gefahr für die Disziplin an Bord. Aber vielleicht tun wir Fletcher auch ein wenig unrecht. Ich hab nämlich einen Offizier über ihn reden hören. Anscheinend war der Captain auf dem Gebiet der extraterrestrischen Technik einer der besten Lehrer und Forscher des Monitorkorps. Als das Ambulanzschiffprojekt noch in den Kinderschuhen steckte, galt er bereits als Wunschkandidat der Fachleute vom Erstkontakt und als aussichtsreichster Anwärter für die Schiffskommandantur.