Sie geben die Zeitungsausschnitte an Anja zurück, die ruhig fortfährt.
»Das Folgende sollten wir uns zusammen anhören … Der belgische Nachrichtendienst hat ein Telefonat eines italienischen Staatsanwalts mit Salvatore Garibaldi, seines Zeichens Brigadegeneral bei der italienischen Armee, aufgezeichnet.«
Sie verteilt eine provisorische Übersetzung und steckt anschließend einen USB-Stick in Carlos’ Computer, lehnt sich vor und klickt die Audiodatei an. Das Programm wird geöffnet, und eine Stimme beginnt, schnell zu sprechen. Auf Französisch werden die Umstände des Gesprächs, Ort, Datum und Uhrzeit heruntergeleiert. Danach hört man ein metallisches Klicken und einen fernen Verbindungston.
Es knistert eine Weile, bis schließlich deutlich eine Stimme zu hören ist:
»Ich höre und ich bin bereit, Ermittlungen einzuleiten«, erklärt der Staatsanwalt.
»Aber ich würde niemals gegen Raphael aussagen, nicht einmal unter Folter, nicht …«
Salvatore Garibaldis Stimme verschwindet, es knistert, wird still, dann hört man ihn wieder, allerdings nur leise, wie durch eine geschlossene Tür.
» … mit Mündungsbremsen und vollkommen rückstoßfreien Raketensystemen … und verteufelt viele Minen, es waren Tretminen, Fahrzeugminen, Panzerminen … Raphael würde niemals … wie in Ruanda, es war ihm egal. Es waren Knüppel, und es waren Macheten – nichts, womit man Geld verdient. Aber als die Lage kippte und die Sache auf den Kongo übergriff, wollte er mitmischen, weil er fand, dass das Ganze an Dynamik gewann. Erst bewaffnete er das ruandische RPF-Regime, um Mobuto ordentlich zuzusetzen, und danach begann er, den Hutus schwere Waffen zuzuschanzen, damit sie gegen die RPF kämpfen konnten.«
Durch das Rauschen hindurch hören sie ein seltsames piependes Signal, dann kehrt die Stimme des Generals zurück.
Er atmet schnell, murmelt etwas vor sich hin und ist auf einmal wieder ganz deutlich zu hören.
»Die Sache mit dem Albtraum, ich hatte das nicht ernst genommen. Ich musste daneben stehen und ihre verschwitzte Hand halten … Meine Tochter, sie war vierzehn. So hübsch, so schön … und Raphael … er machte es selbst, er wollte mit dem Messer schneiden, schrie, mein Albtraum gehöre ihm. Es ist unfassbar.«
Es knistert eigentümlich, und sie hören undeutliche Schreie, berstendes Glas, die Aufnahme wird immer wieder unterbrochen.
»Warum will man Dinge tun, die … Einer seiner Leibwächter reichte ihm das Filetiermesser … das Gesicht meiner Tochter, ihr schönes, schönes …«
Salvatore Garibaldi weint laut, jammert und schreit, dass er nur noch sterben will, sonst nichts.
Es rauscht, und die Aufnahme endet. In Carlos Eliassons Büro wird es vollkommen still. Durch die kleinen Fenster, die auf die grünenden Böschungen des Kronobergsparks hinausgehen, fällt spielerisches Licht in das Büro.
»Diese Aufnahme«, sagt Carlos nach einer Weile, »beweist gar nichts … er hat am Anfang gesagt, dass er nicht aussagen wird, ich nehme folglich an, dass der Staatsanwalt die Ermittlungen eingestellt hat.«
»Drei Wochen nach diesem Telefonat fand ein Hundebesitzer Salvatore Garibaldis Kopf«, sagt Anja. »Er lag im Graben neben der Viale Goethe hinter der Galopprennbahn in Rom.«
»Was war das mit Garibaldis Tochter?«, fragt Joona leise. »Was ist mit ihr passiert?«
»Die vierzehnjährige Maria Garibaldi ist nach wie vor verschwunden«, antwortet Anja.
Carlos seufzt, murmelt etwas in sich hinein, geht zum Aquarium und betrachtet kurz seine Paradiesfische, ehe er zu den anderen zurückkehrt.
»Was sollen wir tun? Ihr könnt nicht beweisen, dass die Munition für den Sudan bestimmt ist, und ihr könnt Axel Riessens Verschwinden durch nichts, rein gar nichts, mit Raphael Guidi in Verbindung bringen«, sagt er. »Gebt mir irgendeinen Hinweis, dann spreche ich mit dem Staatsanwalt, aber ich brauche eine Verbindung und dafür reicht es einfach nicht …«
»Ich weiß, dass er unser Mann ist«, unterbricht Joona ihn.
»Und dafür reicht es einfach nicht, wenn Joona sagt, dass er unser Mann ist«, beendet Carlos seinen Satz.
»Wir brauchen die Befugnis und die nötigen Mittel, um Raphael Guidi wegen Verstößen gegen schwedisches und internationales Recht zu ergreifen«, fährt Joona hartnäckig fort.
»Nicht ohne Beweise«, sagt Carlos.
»Wir finden Beweise«, erwidert Joona.
»Ihr müsst Pontus Salman so weit bringen, dass er aussagt.«
»Wir holen ihn heute noch her, aber ich glaube, dass es schwer werden wird, ihn als Zeugen zu gewinnen, er hat zu viel Angst … er fürchtet sich so, dass er kurz davor war, sich das Leben zu nehmen«, sagt Joona.
»Aber wenn wir Raphael Guidi fassen, traut er sich vielleicht zu reden. Wenn sich die Lage beruhigt, meine ich«, bemerkt Saga.
»Wir können jemanden wie Raphael Guidi nicht einfach so verhaften, ohne irgendwelche Beweise oder Zeugen zu haben«, sagt Carlos mit Nachdruck.
»Und was zum Teufel sollen wir tun?«, fragt Saga.
»Wir setzen Pontus Salman unter Druck, das ist alles, was wir im Moment tun können …«
»Aber ich glaube, dass Axel Riessen in Gefahr ist«, sagt Joona. »Wir haben nicht die Zeit, um …«