Er sieht Saga an, sieht sie Axel Riessen anlächeln und ihn dann nach der Konsolidierung der amerikanischen Rüstungsindustrie fragen. Sie erwähnt zwei neue Megakonzerne, Raytheon und Lockheed Martin.
Erneut hört er durch das offene Fenster Geigenmusik, diesmal ein schnelleres Stück. Es bricht plötzlich ab, und danach hört es sich an, als würden prüfend zwei Saiten angeschlagen.
»Wer spielt da?«, fragt Joona und steht auf.
»Mein Bruder Robert«, antwortet Axel Riessen etwas erstaunt.
»Ich verstehe – er ist Geiger?«
»Der Stolz unserer Familie … aber in erster Linie ist er Geigenbauer, er hat sein Atelier hier im Haus, auf der Rückseite.«
»Meinen Sie, ich könnte ihn etwas fragen?«
Spende Boerse
69
Joona geht neben Axel Riessen über die Marmorplatten an der Rückseite des Hauses. Es duftet intensiv nach Flieder. Sie erreichen das Atelier und klopfen an. Das Geigenspiel verstummt, und die Tür wird von einem Mann mittleren Alters geöffnet. Er hat schütteres Haar, ein schönes, intelligentes Gesicht und einen Körper, der einmal schlank war, mit den Jahren jedoch immer fülliger geworden ist.
»Die Polizei möchte mit dir sprechen«, sagt Axel Riessen ernst. »Du stehst unter dem dringenden Verdacht, dich ungebührlich benommen zu haben.«
»Ich gestehe alles«, sagt Robert.
»Wie schön«, sagt Joona.
»War sonst noch was?«
»Es gibt da in der Tat einige Fälle, die schon länger auf meinem Schreibtisch liegen«, erklärt Joona.
»Ich bin mit Sicherheit der Täter.«
»Hervorragend«, sagt Joona und gibt Robert Riessen die Hand. »Joona Linna, Landeskriminalpolizei.«
»Worum geht es?«, fragt Robert lächelnd.
»Wir sind dabei, einen plötzlichen Todesfall unter die Lupe zu nehmen. Es geht um den früheren Generaldirektor der Staatlichen Waffenkontrollbehörde, deshalb unterhalte ich mich mit Ihrem Bruder.«
»Über Palmcrona weiß ich nur, was in den Zeitungen gestanden hat.«
»Dürfte ich kurz hereinkommen?«
»Selbstverständlich.«
»Ich gehe dann mal zu Ihrer Kollegin zurück«, sagt Axel Riessen und schließt hinter Joona die Tür.
Das Dach des Ateliers ist flach und schräg wie in einem Dachgeschoss. Es scheint in einen bereits vorhandenen Keller eingebaut worden zu sein, in den eine schön lackierte Holztreppe führt. Eine intensive Duftmischung aus frisch zugesägtem Holz, Harz und Terpentin schlägt ihnen entgegen. Überall hängen Geigenteile, ausgewählte Holzstücke, geschnitzte Schnecken, Spezialwerkzeuge, Hobel so klein wie Weinkorken und gebogene Messer.
»Ich habe Sie durchs Fenster spielen hören«, sagt Joona.
Robert nickt und deutet auf eine schöne Geige.
»Sie musste nur ein wenig justiert werden.«
»Haben Sie die selbst gebaut?«, fragt Joona.
»Ja.«
»Wunderschön.«
»Danke.«
Robert greift nach der Geige und reicht sie Joona. Das glänzende Instrument wiegt fast nichts. Joona dreht die Geige um und riecht an ihr.
»Der Lack ist das Geheimnis«, kommentiert Robert und legt das Instrument in einen weinrot gefütterten Kasten.
Joona öffnet seine Tasche, zieht die Plastikhülle heraus und gibt Robert die Aufnahme, die Björn Almskog an Carl Palmcrona geschickt hat.
»Palmcrona«, sagt Robert.
»Ja, aber erkennen Sie die Personen im Hintergrund, die Musiker?
Robert betrachtet erneut das Bild und nickt.
»Das da ist Martin Beaver«, sagt er und zeigt auf einen der Männer. »Kikuei Ikeda … Isomura und Clive Greensmith am Cello.«
»Bekannte Musiker?«
Robert muss über die Frage schmunzeln:
»Sie sind fast schon Legenden … es ist das Tokyo String Quartet.«
»Das Tokyo String Quartet – das sind immer dieselben vier Personen?«
»Ja.«
»Immer?«
»Seit sehr langer Zeit – sie sind ziemlich erfolgreich gewesen.«
»Fällt Ihnen an dem Foto irgendetwas auf?«
Robert betrachtet aufmerksam das Bild.
»Nein«, sagt er nach einer Weile.
»Sie spielen nicht nur in Tokio?«, fragt Joona.
»Sie spielen in der ganzen Welt, aber ihre Instrumente gehören einer japanischen Stiftung.«
»Ist das üblich?«
»Ja, wenn es sich um wirklich besondere Instrumente handelt«, antwortet Robert. »Und diese hier, die Sie auf dem Bild sehen, gehören zweifellos zu den außergewöhnlichsten der Welt.«
»Ich verstehe.«
»Das Paganiniquartett«, sagt Robert.
»Das Paganiniquartett«, wiederholt Joona und betrachtet erneut die Musiker auf dem Bild. Das Holz der Instrumente glänzt dunkel, die schwarzen Kleider der Musiker spiegeln sich im Lack.
»Es sind Stradivari«, erzählt Robert. »Das älteste Instrument ist Desaint, eine Geige aus dem Jahre 1680 … Kikuei Ikeda spielt sie. Martin Beaver hat die Geige, die der Graf Cozio de Salabue Paganini überließ.«
Robert verstummt und wirft Joona einen fragenden Blick zu, aber Joona gibt ihm mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass er weitersprechen soll: