„Sie brauchen nicht besorgt zu sein, mein Freund“, beruhigte ihn der kleine Empath. „Das vorherrschende Gefühl der Patientin ist nichts als pure Neugier…“
Über diesen ganzen tumultartigen Radau hinweg konnte Conway sehr schwach im Hintergrund die Folge langer Sirenentöne hören, die Entwarnung für den Kontaminierungsalarm gaben.
VIERTER TEIL
Das Ambulanzschiff
Wenige Stunden später trafen die beiden dwerlanischen DBPK-Ärzte ein, um die Patientin abzuholen. Doch entschieden sie nach kurzer Beratung, daß sie im Orbit Hospital die optimale Behandlung erfuhr. Deshalb baten sie darum, der Patientin den Aufenthalt bis zur vollständigen Genesung in zwei bis drei Wochen zu gestatten. In der Zwischenzeit nahmen die beiden Ärzte, deren Muttersprache man bereits in den Übersetzungscomputer eingegeben hatte, das gesamte Orbit Hospital unter die Lupe, dieses technische und medizinische Wunderwerk. Während dieser Rundgänge standen ihre pelzigen Schwänze wie Fragezeichen in der Luft — es sei denn, diese großen und ausdrucksfähigen Körperglieder mußten aus Gründen des Schutzes vor fremdartigen Umweltbedingungen in Anzüge gezwängt werden.
Sie besuchten auch mehrere Male das Ambulanzschiff. Anfangs, um den Offizieren und dem medizinischen Team der Rhabwar für die Rettung der jungen Dwerlanerin zu danken, die als einzige die Schiffskatastrophe überlebt hatte, und später, um ihre Eindrücke vom Hospital zu schildern oder über ihren Heimatplaneten Dwerla und dessen vier blühende Kolonien zu berichten. Diese Besuche waren für die Besatzung der Rhabwar stets eine willkommene Unterbrechung des eintönigen Aufenthalts an Bord, der sich für sie zu einem schier endlosen autodidaktischen Unterrichtszyklus entwickelt hatte.
Zumindest hatte der Chefpsychologe diese Reihe von Vorträgen, Drillübungen und technischen Demonstrationen so bezeichnet, mit der die Besatzung in den nächsten paar Monaten beschäftigt sein würde — falls vorher kein Notruf einging.
„Da das Schiff im Dock liegt, werden Sie Ihre Dienstzeit an Bord verbringen“, hatte O'Mara Conway im Verlauf eines kurzen und nicht sehr erfreulichen Gesprächs mitgeteilt. „Und zwar so lange, bis Sie sich selbst — und natürlich auch mich — davon überzeugt haben, mit jedem einzelnen Aspekt Ihres neuen Aufgabenbereichs vollkommen vertraut zu sein, also mit dem Schiff und seinen Systemen und Anlagen. Außerdem sollten sie sich auf den verschiedenen Spezialgebieten der Offiziere wenigstens ebenso viele Kenntnisse erwerben wie umgekehrt die Offiziere auf Ihrem Fachgebiet. Denn obwohl Sie innerhalb von zwei Wochen bereits zwei Notrufeinsätze hatten, sind Sie noch immer nicht hinreichend eingearbeitet an Bord.
Ihr erster Einsatz war für Sie selbst mit beachtlichen Unannehmlichkeiten verbunden“, fuhr der Chefpsychologe griesgrämig fort, „und der zweite führte im Hospital fast zu einer allgemeinen Panik. Doch keine der beiden Aufgaben kann man als eine wirkliche Herausforderung bezeichnen — weder an Ihre Fähigkeiten in extraterrestrischer Medizin noch an Fletchers Sachkenntnis auf dem Gebiet der ET-Technik. Der nächste Einsatz wird vielleicht nicht mehr so einfach sein, Conway. Deshalb schlage ich vor, als Vorbereitung dafür lernen Sie erst einmal alle, wie man als ein Team zusammenarbeitet, anstatt sich ständig wie zwei gegnerische Mannschaften auf Punktejagd zu bekämpfen. Und knallen Sie bitte beim Hinausgehen die Tür nicht so laut zu.“
Und so kam es, daß die Rhabwar zu einem Klassenzimmer und Labor in Schiffsgestalt wurde, in dem die Offiziere Vorträge über ihr jeweiliges Spezialgebiet hielten, und zwar in ihrer Meinung nach für ausschließlich medizinische Köpfe noch nachvollziehbarer Ausführlichkeit, während sich das medizinische Team seinerseits um die Vermittlung der Grundlagen in extraterrestrischer Physiologie bemühte. Da die Dozenten eher einen allgemeinen als einen stark spezialisierten Einblick in das Thema zu geben hatten, übernahmen normalerweise Conway oder Fletcher diese Aufgabe.
Mit Ausnahme des wachhabenden Offiziers im Kontrollraum, der den Unterricht aber trotzdem am Bildschirm mitverfolgen und Zwischenfragen stellen konnte, waren bei den medizinischen Vorträgen sämtliche Schiffsoffiziere anwesend.
Bei einer dieser Gelegenheiten sprach Conway über vergleichende extraterrestrische Physiologie.
„Wenn man nicht in einem Hospital mit vielfältigen Umweltbedingungen wie diesem hier arbeitet, kommt man normalerweise immer nur mit Extraterrestriern einer Spezies zur gleichen Zeit zusammen und bezeichnet sie nach ihrem Herkunftsplaneten. Aber hier im Hospital und auf den Schiffswracks, auf die wir noch stoßen werden, ist die schnelle und genaue Identifizierung eintreffender Patienten und geretteter Katastrophenopfer lebenswichtig, weil sich die Verletzten allzuoft nicht in dem Zustand befinden, physiologische Informationen über sich selbst geben zu können.