„Genau das ist einer der Punkte, über die ich mir bei diesem Patienten den Kopf zerbreche“, erklärte Murchison, wobei sie von einer der Leichen aufsah, die sie gerade untersuchte. „Soweit ich das beurteilen kann, verfügen diese Wesen nämlich über keine natürlichen Angriffs- oder Verteidigungswaffen und weisen auch keinerlei Anzeichen auf, sie früher einmal besessen zu haben. Bedenkt man die Tatsache, daß dies hier wahrscheinlich die dominante intelligente Lebensform eines Planeten ist, dann verstehe ich nicht, wie sie dominierend werden konnte. Diese Wesen können nicht einmal vor Gefahren fliehen, weil ihre Gliedmaßen keine schnelle Fortbewegung zulassen. Das zum Gehen benutzte Beinpaar ist zu kurz und mit Ballen versehen, während das vordere Paar schlanker und weniger muskulös gebaut ist und in vier extrem beweglichen Zehen endet, die an der Spitze nicht einmal so einen Schutz wie Fingernägel besitzen.
Natürlich gibt es da noch die Zeichnung des Fells, aber es geschieht doch äußerst selten, daß eine Lebensform allein durch die Art der Tarnung an die Spitze des Evolutionsbaums klettert… und erst recht nicht, weil sie so lieb und knuddelig ist. Das alles ist wirklich seltsam.“
„Das klingt ja ganz so, als ob dieser Alien von einem Planeten stammte, der für Cinrussker das reinste Paradies wäre“, warf Prilicla ein, der kurz von seinem Dienst an der Luftschleuse zurückgekommen war.
Conway beteiligte sich nicht an dem Gespräch, da er noch einmal die Lunge des Patienten untersuchte. Die leichte Blutung aus dem Mund hatte ihm Sorgen gemacht. Und jetzt, wo sich der Patient für die Untersuchung in der richtigen Lage befand, gab es unverkennbare Anzeichen für Dekompressionsverletzungen in der Lunge. Da der Patient auf den Rücken gelegt worden war, hatten zudem wieder einige der tieferen Rißwunden zu bluten begonnen. Gegen die Lungen Verletzungen konnte Conway mit dem ihm auf dem Ambulanzschiff zur Verfügung stehenden Mitteln nur sehr wenig tun. Zog man aber den geschwächten Zustand des Patienten in Betracht, dann mußte die Blutung schleunigst gestillt werden.
„Weißt du im Moment schon genug über die Zusammensetzung des Bluts, um ein ungefährliches Gerinnungs- und Narkosemittel empfehlen zu können?“ fragte Conway Murchison.
„Ein Gerinnungsmittel wüßte ich, aber beim Anästhetikum hab ich noch Zweifel“, antwortete Murchison. „Damit würde ich gerne noch bis zur Rückkehr ins Hospital warten. Thornnastor könnte bestimmt ein vollkommen sicheres Narkosemittel vorschlagen oder herstellen. Ist es denn sehr dringend?“
Bevor Conway antworten konnte, erwiderte Prilicla: „Ein Anästhetikum ist völlig überflüssig, mein Freund. Der Patient liegt in tiefer Bewußtlosigkeit, und das wird sich auch in nächster Zeit nicht ändern. Sein Zustand verschlechtert sich langsam, wahrscheinlich durch die eingeschränkte Sauerstoffaufnahme der verletzten Lunge. Der Blutverlust trägt sicherlich auch dazu bei. Diese Regalträger im Schrank haben wie stumpfe Messerklingen gewirkt.“
„Das stimmt“, pflichtete ihm Conway bei. „Und falls Sie damit andeuten wollen, daß der Patient so schnell wie möglich ins Hospital gebracht werden sollte, dann bin ich mit Ihnen darin ebenfalls einer Meinung. Aber immerhin schwebt er nicht in akuter Lebensgefahr, und bevor wir von hier abfliegen, möchte ich absolut sichergehen, daß sich hier keine weiteren Überlebenden befinden. Wenn Sie also weiterhin seine emotionale Ausstrahlung überwachen würden und mir jede unerwartete Veränderung seines…“
„Es kommen weitere Wrackteile in Sicht“, unterbrach ihn Haslams Stimme aus dem Wandlautsprecher. „Doktor Prilicla, kommen Sie bitte in die Luftschleuse.“
„Ja, mein Freund“, versicherte er Conway, während er bereits behende an der Decke entlang zur Luftschleuse zurücktrippelte.