Das Schiff war praktisch entvölkert worden, doch einige Kammern tief im Innern hatten Druck und Energie behalten, und eine gewisse Anzahl Überlebender mußte in der Lage gewesen sein, eine Zeitlang in ihnen weiterzuleben. Dabei handelte es sich um die grün gekennzeichneten Abschnitte. Die Atmosphäre in einigen dieser Kammern stelle zwar nur wenig mehr als ein Vakuum dar, fügte Haslam hinzu, doch in anderen könnte sie wahrscheinlich noch heute von Mitgliedern der Spezies, die das Schiff einst gebaut hatte, geatmet werden, um wen oder was es sich dabei auch immer handelte.
„Besteht die Möglichkeit…?“ setzte Conway zu einer Frage an.
„Keine Überlebenden, Doktor“, entgegnete Haslam mit Bestimmtheit.
„Die Tenelphi hatte bereits keinerlei Leben an Bord dieses altertümlichen Schiffs gemeldet. Wahrscheinlich geschah die Katastrophe schon vor einigen Jahrhunderten, und die Besatzung hat nur noch eine kurze Zeit überlebt.“
„Ja, natürlich“, erwiderte Conway. Aber warum wollte Sutherland dann dort hingehen?
„Captain, hier Dodds. Ich glaube, ich hab etwas gefunden, Sir. Kommt gerade ins Sonnenlicht. Jetzt können Sie es in voller Vergrößerung sehen.“
Auf dem Repeaterschirm wurde ein kleiner Bereich der verwüsteten Außenhaut des Wracks dargestellt. Dort befand sich eine schwarze, gezackte Öffnung, die in die Tiefen des Schiffs führte. Direkt daneben war ein Teil der gewölbten Verkleidung zu erkennen, auf der sich ein großer, bräunlich gelber Fettfleck befand.
„Das sieht aus wie Schmiere, Sir“, sagte Dodds.
„Stimmt“, antwortete der Captain und fragte dann plötzlich: „Aber warum hat er ein Schmiermittel statt einer fluoreszierenden Markierungsfarbe benutzt?“
„Vielleicht hatte er es gerade zur Hand, Sir.“
Fletcher nahm von Dodds Antwort keine Notiz — es war sowieso nur eine rhetorische Frage gewesen — und sagte energisch: „Chen, wir sollten uns dem Wrack bis auf hundert Meter nähern. Haslam, halten Sie sich bei den Pressorstrahlen bereit, für den Fall, daß ich mich verschätze und wir gegen dieses Ungetüm prallen. Doktor Conway, leider kann ich unter den derzeitigen Umständen keinen Offizier entbehren, den ich Ihnen mitgeben könnte, aber ein Hundert-Meter-Flug durch den Raum sollte keine ernsthaften Probleme aufwerfen. Verbringen Sie in dem alten Wrack aber bitte nicht allzuviel Zeit, ja?“
„Ich verstehe“, entgegnete Conway.
„Sehr gut, Doktor. Halten Sie sich bereit, in fünfzehn Minuten aufzubrechen, und denken Sie bitte an zusätzliche Sauerstoffbehälter, an Wasser und allen möglichen medizinischen Bedarf, den Sie für notwendig halten. Ich hoffe, Sie finden ihn. Viel Glück!“
„Danke, Captain“, antwortete Conway knapp. Er fragte sich, welche Art von Medikamenten man wohl für einen Arzt brauchen würde, der sich in guter körperlicher Verfassung befand, aber geistesgestört genug war, um sich auf eine Expedition in ein solches Wrack zu begeben. Hinsichtlich seiner eigenen Bedürfnisse fiel ihm eine Entscheidung nicht schwer — er würde einfach für die Dauer von achtundvierzig Stunden Vorräte mitnehmen, nach deren Verlauf die Rhabwar abfliegen mußte, ob er Sutherland nun gefunden hatte oder nicht. Während er die zusätzlichen Sauerstoffbehälter überprüfte, flog Prilicla über ihn hinweg und landete auf der Wand neben ihm. Die Beine des kleinen Empathen zitterten, während sie an der weißen Plastikoberfläche hafteten, als wäre er starker emotionaler Ausstrahlung ausgesetzt. Als Prilicla sprach, war Conway erstaunt, daß die Emotionen vom Empathen selbst herrührten. Er hatte schlichtweg Angst.
„Wenn ich Ihnen vielleicht einen Vorschlag machen dürfte, mein Freund“, sagte Prilicla, „die Aufgabe, das Lebewesen Sutherland zu finden, würde viel leichter und schneller zu bewältigen sein, wenn ich Sie begleite.“
Conway dachte an das Gewirr von Metallplatten und Bauteilen, die unter der Wrackhülle lagen; auf ihrem Weg durch das Wrack würde praktisch bei jedem Fußtritt die Gefahr bestehen, sich die Raumanzüge zu zerreißen.
Und er dachte an all die anderen Risiken, die man sich nicht einmal vorstellen konnte. Er fragte sich, was aus der berühmten Ängstlichkeit des Cinrusskers geworden war, die seine wichtigste Überlebenseigenschaft als Angehöriger dieser unglaublich feingliedrigen Spezies war.
„Sie würden also wirklich mit mir kommen?“ fragte Conway ungläubig.
„Sie bieten mir tatsächlich an mitzukommen?“
Prilicla antwortete schüchtern: „Ihre emotionale Ausstrahlung zeugt zwar von leichter Verwirrung, mein Freund, ist aber im großen und ganzen schmeichelhaft für mich. Ja, ich werde Sie begleiten und meine empathischen Fähigkeiten benutzen, um Sutherland finden zu helfen, wenn er noch am Leben ist. Wie Sie wissen, bin ich alles andere als ein mutiges Wesen, und ich behalte mir das Recht vor, mich von der Suche zurückzuziehen, wenn ein gewisses Risiko eine für mich akzeptable Grenze überschreitet.“
„Jetzt fühle ich mich wieder erleichtert“, entgegnete Conway lächelnd.
„Einen Augenblick lang hab ich an Ihrem Geisteszustand gezweifelt.“